Kulturverein Alte Mosterei Eden e.V.
 


Als Leichenfresser auf dem „Monte Verita“.
Erich Mühsam in der lebensreformerischen Siedlung bei Ascona.

Freitag, 05.07.2014, 19:30 Uhr

(Klaus Trappmann – Vortrag mit Textpassagen aus „Ascona“ gelesen von Manuel Harder)

Erich Mühsam setzte sich in dieser - wie er es selbst nannte – 1905 erschienenen "Broschüre" mit der Lebensgemeinschaft in Ascona (Schweiz) auf dem Monte Verità auseinander. Angetrieben von dem Wunsch, sich aus der Gesellschaft der Jahrhundertwende auszuklinken und ein "einfaches" Leben leben zu wollen, gründete eine Hand voll junger, frustrierter Menschen auf dem Berg Monte Verità eine „sozial-vegetarische-kommunistische“ Lebensgemeinschaft. Im Laufe ihres Bestehens wird sie von den namhaftesten Intellektuellen jener Jahre als "Fluchtpunkt" aus dem hastigen Europa besucht: u.a. C. G. Jung, Otto Gross, Hermann Hesse, Carl und Gusto Gräser oder aber auch Erich Mühsam, dem Anarchisten. Wer denkt, der Text schwingt ein Loblied auf die Lebensgemeinschaft, die nun nach anarchistischen Gesichtspunkten herrschaftslos und frei jeder Verpflichtungen miteinander lebt, der irrt sich. Mit bissig-ironischem Ton kritisiert Mühsam die intellektuell-ideologische Unzulänglichkeit der Monte Verità-Mitstreiter immer wieder. Mühsam kritisiert an unzähligen Stellen das fehlerhafte, in sich unschlüssige Lebenskonzept der Aussteiger. Ein Punkt bspw. beschäftigt ihn länger: Die Einstellung der Vegetarier gegenüber den Nicht-Vegetariern, die letzteren seien "Leichenfresser" - zu Recht bemerkt Mühsam, dass auch das Obst- und Gemüse-Essen "Leichenfrass" ist, denn auch hier handele es sich doch einstmals um Lebewesen, die nun durch den Menschen des Lebens beraubt, also gegessen würden.

Klaus Trappmann
, geb. 1948 in Wuppertal. Lebt in Berlin als Lehrer an der Schule für Erwachsenenbildung, Autor und Realisator von Ausstellungen, Radio- und Filmdokumentationen. Hrsg. von „Landstraße, Kunden, Vagabunden“ 1980 im gerhardt verlag und „Wohnsitz: Nirgendwo“ 1982 im Verlag Frölich & Kaufmann. Autor / Realisator der Filmdokumentation „Landstraße, Kunden, Vagabunden“ in Zusammenarbeit mit Hagen Müller-Stahl. SFB 1982 und „Tango. Ein trauriger Gedanke, den man tanzen kann“. SFB 1984. Hrsg. von „Transit Berlin. Griechenland und Jugoslawien in Berlin“. Künstlerhaus Bethanien 1987. Mitarbeit an der Film-Dokumentation „Berlin Rebel Highschool“ 2017. Mitarbeit an der Veranstaltung „Wiedersehen in Tunix“ im Hau 2018. Mitglied in der AGG und im Nutzerbeirat Gleisdreieck. Erster Vorsitzender der Dauerkolonie Potsdamer Güterbahnhof.

Manuel Harder
, geboren in Valparaíso (Chile), ist in Bremen aufgewachsen. Nach Studium (Theaterwissenschaften, Neue Deutsche Literatur) und Schauspielausbildung (Athanor Akademie bei Prof. David Esrig) war er Ensemblemitglied am Salzburger Landestheater, am Schauspiel Dortmund, am Centraltheater Leipzig, am Schauspiel Frankfurt sowie am Schauspiel Stuttgart. Gastengagements u. a. an der Schaubühne am Lehniner Platz. Er realisierte diverse Inszenierungen, Stückentwicklungen, Uraufführungen (u. a. Texte von Arthur Rimbaud, Else Lasker Schüler, Carsten Brandau, Guillaume Paoli, Bonaventura) sowie Recherchen und internationale Austauschprojekte in Dortmund, Leipzig, Wien, Stuttgart und Chişinau (Rep. Moldau). Er ist Schauspieldozent u. a. an der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy Leipzig und der Kunstuniversität Graz. Seit der Spielzeit 2017/18 ist Manuel Harder Ensemblemitglied am Deutschen Theater Berlin.

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